Italien - guter Geschmack hat ein zu Hause

Mein Hauptaugenmerk liegt auch in Italien auf dem urbanen Umfeld. In Italien besteht jedoch das Problem, dass jede noch so kleine Stadt dem Fotografen außergewöhnliche Ansichten bietet, so dass ich kaum weiß, wohin ich mich wenden soll. Es stehen noch viele Orte aus, wo ich unbedingt fotografieren muss. Die Perspektiven sind größtenteils die gleichen wie in Berlin, auch wenn der Charakter der entstandenen Bilder ein ganz anderer zu sein scheint. Mein Italien ist gar nicht so bunt, wie ich vielleicht geglaubt hätte. Es scheint auch nicht immer die Sonne. Neben dem quadratischen gibt es in Italien natürlich viel mehr klassische Formate.

Der Süden - barocker Alltag im 3. Jahrtausend

Kaum irgendwo findet man eine größere Dichte von schönen Orten als im Süden Italiens. Es braucht kein konkretes Ziel, um teilweise unglaubliche Plätze zu entdecken. Gerade die Abgelegenheit mancher Sehenswürdigkeit scheint schier unbegreiflich. "Lost Places" ist gerade hierzulande mittlerweile zu einem gefragten Sujet avanciert, wahrscheinlich im Zuge der Eroberung Osteuropas. Jeder auch noch so unansehnliche Ort wird zum Mittelpunkt der Weltgeschichte erklärt, und ich weiß nicht, ob es sich um eine Sehnsucht nach Einsamkeit und Ruhe, sprich um Ostalgie, oder vielleicht doch eher um den Spiegel einer inneren Befindlichkeit handelt. Jedenfalls denkt dabei niemand an Italien, wo der morbide Charme vollständig integriert uns überall umgibt.

  • Pozzo di Mazza 01, Siracusa, 2010
  • Pozzo di Mazza 02, Siracusa, 2010
  • Vicolo Pallonetta, Conversano, 2010
  • Via Tarsi, Conversano, 2010
  • Via dei Tolomei, Ortigia, 2016
  • Piazza Regina Elena, Avola, 2016
  • Piazza Regina Elena, Avola, 2016
  • Via Goffredo Mamedi, Avola, 2016

Große alte Städte - Neapel, Rom, Bologna

Die großen italienischen Städte sind voller Sehenswürdigkeiten. Schwierig etwas zu fotografieren, was nicht schon in einem Reiseführer verzeichnet ist. Die Geschichte ist allgegenwärtig, und nichts scheint zu geschehen, was nicht damit zusammenhängt. Das Neue schafft es nicht, sich gegen die Masse an Altem abzuheben. Die Patina ist allgegenwärtig, ungefähr so wie die katholische Kirche, und frißt sich sozusagen sofort in alles neu Entstehende hinein. Das Erscheinungsbild der italienischen Städte hat im Vergleich zu deutschen Städten immer etwas marodes, was uns verunsichert, aber gleichzeitig etwas unvergängliches, was uns ein Gefühl von Sicherheit und Schönheit vermittelt.

Sakrale Orte - die Inszenierung des Unbegreiflichen

Eigentlich war es nur die Hitze, die den Nordländer in die Kühle sakraler Bauten trieb. Drinnen war teilweise mehr los als draussen, ganz anders als bei uns. Es gibt auch viel mehr zu sehen. Oft kommt es mir gar nicht so vor, als ob ich irgendwo drin wäre. Viele der Räume sind natürlich auch sehr groß, wie Schiffe. Die Größe allein reicht allerdings nicht aus, dieses Wohlbehagen zu erzeugen, diese Ruhe auszustrahlen. Es ist auch die mühevolle Einrichtung, das Arrangement, die Inszenierung, das Licht, nicht wie in den kahlen Sälen bei uns. Hinter den Säulen in den Ecken ein stetiges Huschen, Rascheln und Flüstern. Schatten und tiefe Dunkelheit wechseln sich ab mit Lichtquellen aller Art und hellen Reflektionen auf kostbarem Marmor. Oft sitzt oder hängt besser gesagt jemand schlafend auf einer Kirchenbank. Große bequeme Sofas sollte man hinstellen, dann könnte vielleicht auch ich mich zu einem Nickerchen entschließen.